Casanova '70
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Virtuose der Revolution: Mario Monicelli, einer der großen Regisseure der italienischen Nachkriegszeit, ist im Alter von 95 Jahren verstorben. Von schwerer Krankheit gezeichnet, beging er Selbstmord in einem Krankenhaus in Rom.
Eine Handvoll kleiner Diebe und Herumtreiber will ein Pfandleihhaus in Rom überfallen. Um in den Raum mit dem Safe zu gelangen, verschaffen sie sich Zutritt zur angrenzenden Wohnung zweier alter Damen, deren venezianische Hausangestellte mit Peppe (Vittorio Gassman), dem Herzensbrecher der Gruppe, ein Techtelmechtel hat. Doch der Coup, zum dem Tiberio (Marcello Mastroianni) mit eingegipstem Arm erscheint, geht schief. Statt durch die Mauer zum Safezimmer brechen die Gauner nur durch die Zwischenwand zur Küche, in der das Hausmädchen einen Topf mit Kichererbsenpasta vorbereitet hat. Statt an den Reichtümern des Leihhauses laben sie sich an der Pasta, bevor der Morgen graut und das Idyll beendet. Ein Wecker, die einzig greifbare Beute des Raubzugs, schrillt ausgerechnet in dem Moment los, als Peppe und sein Kumpel Capannelle von zwei misstrauischen Carabinieri ins Auge gefasst werden. „I soliti ignoti“, der Film, der diese Geschichte erzählt - auf Deutsch hieß er „Diebe haben's schwer“ - war der Überraschungserfolg des Jahres 1958 und ein Wendepunkt des italienischen Kinos. Er bewies, dass man die soziale Wirklichkeit der Nachkriegszeit auch mit komödiantischen Mitteln zeigen konnte - und dass Filmkomödien keine lebensfernen Schwänke sein mussten, sondern der erschlaffenden Bewegung des Neorealismus neuen ästhetischen Schwung geben konnten. Er verhalf seinen bis dahin nur mäßig bekannten Hauptdarstellern Vittorio Gassman und Marcello Mastroianni zu internationalem Ruhm. Und er sicherte seinem Regisseur, der zuvor hauptsächlich als routinierter Handwerker von Farcen und Melodramen hervorgetreten war, einen Platz unter den Meistern des italienischen Kinos: Mario Monicelli.
Sophia Loren und Luigi Proietti in Monicellis „Mortadella” von 1971
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Für Monicelli, 1915 als Sohn eines Theaterkritikers im toskanischen Viareggio geboren, war die Commedia all'italiana ein Geschenk des Schicksals und eine Last zugleich. Sie entsprach seinem zwiespältigen, aus Sarkasmus und Resignation gemischten Verhältnis zur Gegenwart seines Landes, aber sie setzte seinen künstlerischen Ambitionen auch enge Grenzen. In „La grande guerra“ („Man nannte es den großen Krieg“), seinem nächsten Projekt nach den „Soliti ignoti“, trieb er das Wechselspiel aus Komik und Tragik so weit, dass es die Form fast sprengte; auch deshalb ist die Geschichte zweier Überlebenskünstler (gespielt von Alberto Sordi und Vittorio Gassman) auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs vermutlich sein bester Film.
Claudia Cardinale in der Episode: „Gespielin Armenia oder: Zimmer frei mit Musikbox” von 1966
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Monicellis Versuch, mit „I compagni“ („Die Peitsche im Genick“) eine politische Parabel über Solidarität und Klassenkampf zu erzählen, wurde dagegen vom Publikum abgelehnt. Mit „L'armata Brancaleone“ und „La ragazzo con la pistola“ kehrte er deshalb Ende der sechziger Jahre zu den Stoffen zurück, die man von ihm erwartete: lebenspralle, mit Sprachwitz gesättigte Alltagsgrotesken, die aus den Versatzstücken anderer Kinogenres - hier der Mittelalter-, dort der Mafiafilm - szenische Funken schlugen.
Marisa Mell und Marcello Mastroianni in Casanova '70 von 1965
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Sein zweiter großer Kinoerfolg gelang Monicelli dann 1975 mit „Amici miei“ („Ein irres Klassentreffen“), einem sarkastischen Gruppen- und Generationenporträt, das erkennbar an den berühmten Vorgänger von 1975 angelehnt war. Als er die Geschichte sieben Jahre später weitererzählte, war die hohe Zeit der italienischen Filmkomödien schon wieder vorbei; „Amici miei atto II“ („Meine Freunde“) wirkte wie ein Abgesang. Sein Land, hat Monicelli in einem seiner letzten Interviews gesagt, brauche eine Revolution, nur so könne es zu sich selbst zurückfinden. Als Regisseur ist er dieser Revolution auf virtuose Weise aus dem Weg gegangen. Am Montag hat sich Mario Monicelli, der wegen Prostatakrebs in einem römischen Krankenhaus behandelt wurde, aus einem Fenster in den Tod gestürzt. Er wurde fünfundneunzig Jahre alt. (c) FAZ-Andreas Kilb
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Thanks to André Schneider for sending me this information!
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