Mit André Schneider hatte ich zwar seit längerer Zeit
Kontakt wegen Marisa Mell und auch er konnte mir auch nur sagen, dass er
relativ kurzfristig von Freunden und Kollegen von Marisa nach Graz eingeladen
wurde, die am Tag ihres 75. Geburtstages im Grazer Grand Café Kaiserfeld eine
kleine Feier veranstalten wollen. Als ich gestern um 19:45 ins Kaiserfeld ging,
wusste ich daher auch nicht so recht, was mich tatsächlich erwarten würde und
irgendwie war ich auch froh, dass ich beim Eingang gleich einmal auf André
getroffen bin, der sich auch prompt als äußerst sympathischer Zeitgenosse
entpuppte.
Zu meiner Überraschung war der große Bar-Bereich des Café
Kaiserfeld bereits mehr als nur gut gefüllt und es hatten sich vor
Veranstaltungsbeginn so um die hundert Leute versammelt, wobei der
Altersdurchschnitt relativ hoch war, was aber daran lag, dass sich viele
Freunde und Bekannte der 1992 in Wien verstorbenen Marisa eingefunden hatten,
die auch wenige Minuten später bereits gebannt der Lesung von Andre Schneider lauschten,
die von einem tonlosen Zusammenschnitt einiger ihrer prägnantesten Auftritte
untermalt wurden.
André las drei längere Stellen aus seiner noch immer sehr
empfehlenswerten Biografie „Die Feuerblume“ und zeichnete u.a. ihren Werdegang
von der Grazer Schauspielschule Gaudernak, über das renommierte
Max-Reinhard-Seminar, ihren ersten Engagement bis hin zu ihren größten Erfolgen
in Italien nach und beschäftigte sich auch kurz mit den Jahren, in denen es
dann nicht mehr so gut lief und die Schauspielerin wieder nach Österreich
zurückkehrte. Außerdem sprach er über ihre Rollen in spanischen Filme und
beleuchtete zu meiner Freude auch die Produktionsbedingungen von Mario Bavas
„Danger: Diabolik“, in der Mell als Eva Kant für Genre-Fans unsterblich wurde.
Danach gab es Pasta nach Marisa Mells Rezept, in einer
scharfen und milden Variante, die seinerzeit in ganz Rom berühmt waren und auch
an diesem Abend bei den Besuchern sehr gut ankamen. Während ich mit André
plauderte kamen immer wieder Leute zum Tisch, die von dem generösen und
liebevollen Wesen Marisa sprachen und sich jeder für sich sehr positiv an die
Schauspielerin erinnerten. Besonders schön war es für mich, in welcher
liebevollen und respektvollen Art über Marisa gesprochen wurde und sich so nicht
nur ein wunderbares Gesamtbild ergab, sondern sich auch einige tragischen
Details relativierten, die ich bislang über ihre letzte Phase ihres Lebens
gehört hatte.
Auch André war offensichtlich sehr von der Stadt und der
Grazer Gastfreundschaft angetan und hat durch den Kontakt zu ihren Freunden und
den ganzen Anekdoten wohl genug Stoff für ein neues Buch über die
österreichische Künstlerin. Dass sich viele von Marisas Freunden beim Abschied
nochmals persönlich für seine Texte und den schönen Abend bei ihm bedankten,
ist wohl auch das Schönste, das ein Biograf erleben kann und auch den
Veranstaltern zu verdanken, die hier kurzfristig ein schönes und
unvergessliches Event organisiert hatten.
Was hier an diesem Abend nach all den Jahren des Vergessens
an schönen Erinnerungen an Marisa mobilisiert wurde, ist als Fan natürlich ein
absoluter Traum und dass im Herbst eine Retrospektive und weitere Aktionen
geplant sind, ist in einer Stadt, in der die Politik Marissa längst vergessen
hat und in einem Land, in dem auch die meisten ihrer Filme nicht frei
erhältlich sind, ein guter Anfang. Dass sich dank einer Handvoll engagierter
Leute die Menschen von Graz wieder gut und gerne an Marisa erinnern lässt
Hoffnung schöpfen, dass die international wesentlich mehr beachtete
Schauspielerin vielleicht auch in ihrem Geburtsort irgendwann einmal
entsprechende Würdigung widerfährt.
PS: Dass aus André zweimal ein Rene geworden ist, wird Herr
Schneider den Grazern und der Stadt, die sich an zwei Tagen mit schönsten
Sonnenschein gezeigt hat, wohl hoffentlich verzeihen
Jochen Kulmer aus Graz (Österreich)